Startseite  | Projektbeschreibung | Symposium 2005  | Restaurierung  | Ausstellung  | Publikationen
allgemeine Information  | Programm  | Redner  | Vortraege

Rudolf Frieling
Einführung

Dank an Gastgeber, BKS, Wulf Herzogenrath

"Rettet die Archive" – so lautete im Oktober 2004 ein dramatischer Appell von Emmanuel Hoog, dem Präsidenten der International Federation of Television Archives (IFTA), Paris in Le Monde. Im Untertitel hiess es dann: die audiovisuellen Medien – das ignorierte Vermächtnis. Welch ein Paradox: in unserem Allgemeinverständnis sind es doch gerade die Archive, die uns vor dem natürlichen Gedächtnisverlust bewahren sollen. Die Gründe für den entropischen Prozess auch innerhalb des Archivs oder der Sammlung können sehr vielfältig und unterschiedlich sein. Das Fernsehen hat im Unterschied zur Kunst vor allem ein quantitatives Problem. Wir beschäftigen uns heute mit der Videokunst im Besonderen, aber die Implikationen sind offensichtlich für alle Sammlungen und Archive, die mit audiovisuellen Medien zu tun haben.

Lutz Nitsche hat ja schon in einem kurzen Statement die Gründe für das außergewöhnliche Engagement der Kulturstiftung des Bundes dargelegt und auch schon diese Frage in den Raum gestellt, die uns in dieser föderalen Bundesrepublik schon lange umtreibt. Wie kann man länderübergreifend Sorge tragen, dass nicht nur das Erbe des Films oder des Fernsehens archiviert wird, sondern auch die Kunst mit den Medien ihren Platz findet. Ohne dass wir hier an dieser Stelle einen Vorschlag machen können, so sei dies doch immerhin als Frage für den Schluss schon vermerkt.

Doch fangen wir mit dem Anfang an: Für dieses Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes, das im Mai 2004 offiziell zu arbeiten begann, ist ein zentraler Baustein des Konzepts die Debatte über grundlegende Fragen der Folgen der Digitalisierung für unser Kulturelles Erbe. Jetzt treffen wir uns hier und werden über das "Digitale Erbe" sprechen. Auf den ersten Blick erscheint dieser Untertitel des Symposiums wie ein Widerspruch. Wie kann das Erbe digital sein, wenn es doch zuerst um die Digitalisierung des analogen Erbes gehen muss? Unsere These dazu ist:

  1. Das Erbe wird von nun an digital sein und
  2. schon die jüngste digitale Vergangenheit seit Mitte der 1990er Jahre ist ebenfalls Teil dieses historischen wie kulturellen Prozesses des Reviewing, der Neubewertung wie auch des Prozesses des zunehmend schnelleren Wechsels der digitalen Träger.

Damit wären wir schon beim nächsten Problem: Mit welchem Recht oder mit welcher Begründung setzt der Kurator oder Archivar auf die Karte Digitalisierung, wenn doch noch überhaupt keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, mit welchen Langzeiteffekten wir es hier zu tun bekommen?

Eine weitere berechtigte Frage ist die nach der inhaltlichen Definition eines Projekts. 40 Jahre Video – oder wie vor einiger Zeit hier in Düsseldorf: 25 Jahre Videoästhetik – die Problematik eines Überblicks wie auch einer scheinbar klar definierten Zeitspanne ist nicht zu übersehen. Wo anfangen und wo aufhören? Die Auswahl von 50-60 Arbeiten, die wir nächstes Jahr präsentieren, wird dennoch einen präzisen Anfang haben und dann einen Bogen schlagen bis zu den verschiedenen Praktiken zeitgenössischer Kunstproduktion. Mit anderen Worten: es geht uns um aktuelle Zusammenhänge mehr als um historisierende Retrospektiven. Und dennoch akzentuiert das Projekt zugleich einen gewichtige Leerstelle in der kunst- wie medienhistorischen Aufarbeitung der Geschichte der Videokunst, dieses undurchsichtigen Terrains von Kopien, Mastern, Submastern, Kopien der Kopien, neuen Archivmastern usw. Man könnte diese Schwierigkeit damit benennen, das man sie "Die Unmöglichkeit der Beschreibung" nennt. Diese Unmöglichkeit liegt in der Sache, in der Materie, im Medialen begründet. Und diese Unmöglichkeit zeitigt bis heute Konsequenzen, die etwa das Vertragsverhältnis von Künstlern und Sammlern tangieren. Wir müssen nicht gleich die medientheoretische Debatte wiederholen, die schon immer (auch auf vergangenen Symposien) auf den Verlust des Originals hingewiesen hat, um auch praktisch feststellen zu können: Der Status, die Ästhetik, die Formatierung und die Präsentation/Rezeption sind Variablen in einer Konstellation, die sich nur immer wieder in anderer Form manifestieren kann. Video ist relativ (wie Jean-Francois Guiton kürzlich poinitiert formulierte) – unter dieser Bedingung müssen wir operieren.

Die Sammler, die Museen, aber auch die Künstler haben ein vitales Interesse daran, Werke, die in ihrem Besitz sind oder die sie produziert haben, zu dokumentieren und zu erhalten, Werke in einen geschichtlichen oder kontextuellen oder thematischen Zusammenhang zu stellen. Ein erster Schritt dazu ist logischerweise die Analyse dessen, was man eigentlich hat. Aber da fangen die Schwierigkeiten eben an. Was habe ich da eigentlich im Schrank? Woher kommt es und welche Rechte besitze ich daran (eine berechtigte Frage, die in der oft de facto herrschenden Tauschökonomie der Videokunst nicht eindeutig zu klären war)? Und ist überhaupt drin, was drauf steht? Wie kann ich das prüfen, wenn ich keine Abspielmedien mehr habe? Und selbst wenn die Sichtung tatsächlich stattfinden kann, welchen Wert hat dann dieses Werk? Ist es überhaupt ein Kunstwerk oder eher eine Dokumentation? Ich könnte mit dem Fragen fortfahren....

In diesem Gewirr scheint ein klarer Anhaltspunkt ein Titel und ein Datum zu sein. Wir beginnen dieses Projekt daher auch im Untertitel mit dem Jahr 1963. Denn das können wir mit Bestimmtheit sagen: 1963, das Jahr, in dem Nam June Paik seine erste im nachhinein berühmt gewordene Ausstellung "Exposition of Music – Electronic Television" in der Wuppertaler Galerie Parnass hatte, produzierte Wolf Vostell einen 16mm-Film, in dem er das Fernsehprogramm der ARD 7 Minuten lang aufnahm und während der Aufnahme am Fernseher "decollagierte". Unter dem Titel "Sun in your head" wurde dieser Film Anfang der 1970er Jahre Teil der ersten Videoedition, die damals nach der Gründung der Videosammlung des Neuen Berliner Kunstvereins aufgelegt wurde. Der Literatur und der Selbstauskunft des Künstlers nach zu urteilen, wurde der Film 1:1 auf Video kopiert. Alle Sammlungen, die "Sun in your head" besitzen, verfügen über eine Kopie dieser ersten Videoedition, die später auf U-matic übertragen wurde und als solches "Archivmaster" heute in der Galerie Vostell in Berlin lagert. In unserem Bemühen, der ersten Generation, also dem Master, wo immer möglich nachzugehen, haben wir die 16mm-Film-Spule aus dem Archiv Vostell in Spanien entliehen und digitalisieren lassen. Doch die Recherche, auf die morgen Vormittag auch Tina Weidner und Yvonne Mohr eingehen werden, brachte zu tage: Film und Video unterscheiden sich deutlich, schon die Länge stimmt nicht überein. Der damalige Filmproduzent erinnert sich zudem noch an Sun in your head 1 und Sun in your head 2. Was also ist das Werk? Wir werden am Ende die Geschichte dieser Produktion detailliert dokumentieren und kommunizieren, aber schon jetzt wird deutlich:

  1. Es ist zum Teil sehr zeitaufwendig, den einzelnen Produktionsschritten, Kopierprozessen, Formatierungen und neuen Varianten auf die Spur zu kommen, um die Geschichte einer Produktion überhaupt erzählen zu können.
  2. Es ist nur punktuell möglich, das Gewirr der oft von den Künstlern immer wieder umkopierten Arbeiten zu entwirren und ein wie immer auch hypothetisches Original zu identifizieren.
  3. Aus den beiden Gründen kann eine kunsthistorische Aufarbeitung nur anhand von Prioritäten geschehen. Ich zitiere mich ausnahmsweise selber mit der Forderung, die ich im Jahr 2000 im Rahmen des Symposiums "Video im Museum" im Museum Ludwig in Köln erhoben habe: "Wir brauchen eine Forschung zu ausgewählten Bändern."
  4. Keine Museumssammlung hat sich bisher die Mühe gemacht, oder machen können, detailliert das Umfeld und den Hintergrund einer Sammlungsarbeit auf Video so zu dokumentieren. Wer weiß aber auch, wie genau eine Videoarbeit eigentlich zu dokumentieren ist? Hier stellt sich auch die Frage nach der Funktion des Restaurators und nach den Terminologie. Unter Restaurierung verstehen wir im Einzelfall doch alle etwas anderes.

All diese Fragen stellen wir nicht zum ersten Mal, aber wir können sie vielleicht heute besser beantworten.

Vom Film zum Video, das ist nicht nur die technologische Entwicklungslinie, das bezeichnet auch eine Konfrontation: Filmemacher wie auch Archivare haben im Kontext des Films schon sehr viel längere Erfahrung mit der Gefährdung ihres Mediums durch physikalisch-chemische Zersetzungsprozesse, aber auch durch veränderte Marktbedingungen. Wir alle erinnern uns der großen Klagen angesichts des veränderten Konsumverhaltens der Kinogänger in den Zeiten des allmächtigen Fernsehens. Heute erhebt sich der gleiche Tenor angesichts des drohenden Heimkinos mit DVD-Recordern und Plasmabildschirmen. Wozu noch das Geld ins teure Cineplex tragen, wenn der Blockbuster drei Monate später schon bequem zuhause zu genießen ist (Popcorn vielleicht exklusive). Eine mediale Ausdrucksform, sei es nun Kunst oder Kommerz, muss sich den veränderten technologischen Bedingungen anpassen. Dazu gehört, dass Systeme obsolet werden – jüngste Meldung hierzu: Kodak stellt die Produktion ihres Kodakchrome Super 8 Filmmaterials ein mangels Nachfrage. Hieran schließt sich sofort die Frage an: Verlieren wir damit nur ein altes Trägermaterial, oder zugleich auch eine spezifische und einzigartige Ästhetik zwischen dem nostalgischen Familienheimkino und der Underground-Super 8 Filmproduktion wie sie z.B. noch für die DDR der 80er Jahre charakteristisch war? Die New York Times berichtet am 13. Juni denn auch vom Protest der Archivare und Filmspezialisten etwa des Anthology Film Archives. Paradoxerweise hat noch niemand den Verlust von U-matic beklagt. Hätten wir vielleicht Grund dazu?

Es geht seit einigen Jahren das hybride Gespenst der totalen digitalen Welt umher. Zwischen den Polen der utopischen Euphorie und der kulturpessimistischen Anklage eines endgültigen Substanzverlustes macht sich in jedem Fall Unsicherheit breit: "Die Tortur der Bits" (SZ 17.6.), "Immer feste drauf: Die Speicherkapazität von Festplatten stößt an Grenzen – aufgerichtete Daten und geschrumpfte Bits sollen helfen" (SZ 21. 6.) ein Problemfeld zwischen Euphorie und Schreckgespenst, zwischen Endlösung und "elektronischem Selbstbetrug", so getitelt in der FAZ vom 15.3.2005. Der Autor Uwe Jochum spricht gar davon, dass die Digitalisierung (der Bücher) die Funktion der Bibliotheken aushöhlt. Er spricht von einer Wette auf die Zukunft, die nicht die Folgekosten bedenkt. Dies ist eine rhetorische Figur der Demagogie, die sich immer wieder bei Untergangsmetaphern bedient: unsere Daten verschwinden in den Tiefen der Rechner und des Internets (was natürlich im Einzelfall durchaus zutrifft).

Beleuchten wir einen Moment aber auch die totale Affirmation der neuen Technologien: Im Jahr 2000 auf der IBM Konferenz in Rom zum kulturellen Erbe denken Museen darüber nach, alles online zu stellen, in höchster Qualität. Dies war noch zu Zeiten des Internetbooms. Heute stellt sich die Frage neu, aber auch anders: Nicht alles muss online gehen, sondern eine netzspezifisch aufbereitete Information muss online gehen. Viel wichtiger erscheint heute die Aufbereitung und Suchmöglichkeit spezifischer Angebote. Ob Videos online vertrieben werden in Zukunft? Ich denke ja, aber dies muss nicht gleichbedeutend sein mit der Rezeption online. Anders gesagt: Online steht viel eher für diskursive Zusammenhänge (siehe etwa das Projekt "Medien Kunst Netz", das Dieter Daniels und ich im Auftrag des Goethe-Instituts, des ZKM und des BMBF realisiert haben).

Die Relevanz des Themas "Kulturelles Erbe im Zeichen der Digitalisierung" ist ein offensichtliches Faktum, schaut man sich allein das EU Programm Kultur 2000 an. Die Digitalisierung großer Sammlungs- und Archivbestände ist inzwischen in greifbare und finanzierbare Nähe gerückt. Auch die Datenbankkultur (wie Lev Manovich meint) ist ein allgegenwärtiges Phänomen geworden. Wenn das Primat des "being digital" (Nicholas Negroponte, MIT) inzwischen von der Allgemeinheit akzeptiert wird, so bleibt doch eine grundlegende Verunsicherung, die durch den Crash der New Economy noch einmal verschärft wurde. Das Augenmerk richtet sich nun nicht mehr nur auf das Potential der Neuen Medien, sondern in besonderem Maße auch auf die Gefahren des "being digital". Im Übergang vom belichteten Film, der mit bloßem Auge "abtastbar" ist, zum Magnetband, das nur durch Maschinen lesbar wird bis hin zum digitalen File, der Software-abhängig ist – eine ständige Erhöhung der Komplexität der Konfiguration von Hard- und Software hat zu einer immer größeren Abhängigkeit von Technologien und IT-Spezialisten geführt. Die direkte und schnelle Verfügbarkeit der Daten wird erkauft mit einem immer drohenden Totalverlust von Daten. Und um die Dinge noch schlimmer zu machen: Ein Blick auf Bruce Sterlings Website "deadmedia.org" beweist, dass die Spirale der vergessenen, obsoleten, eben toten Medien immer schneller sich dreht und prinzipiell kein neues Trägermaterial vor der wieder neuen technologischen Innovation gefeit ist. Diese Entwicklung lässt sich bereits mit der Videotechnologie nachvollziehen, aber sie ist heute um ein Vielfaches schneller geworden.

Eine Diskussion über die Chancen wie Risiken des ›being digital‹ in Bezug auf die Künste ist meist nur in spezialisierten Foren geführt worden. Wie wichtig aber die Verknüpfung von spezialisiertem Wissen mit allgemeinen Fragestellungen zum Kontext, in dem wir alle agieren, ist, wird uns gleich im Anschluss Boris Groys, Prof. für Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe darlegen. Seine Schriften zum Sammeln wie auch zum öffentlichen Umgang mit den Medien sind ein wichtiges Moment, den Horizont unserer Diskussion am Anfang noch einmal zu umreißen.

Was sich in den letzten 5 Jahren jedoch entscheidend verändert hat: Wir diskutieren nicht mehr grundsätzlich das Für und Wider der Digitalen Welt, sondern setzen uns konkret mit den Bedingungen des Digitalen auseinander. In diesem Horizont stoßen wir auf Namen wie Prestospace, FIRST, INCCA, TAPE, Nestor, Media Matters, Variable Media Initiative, Creative Archive, Aktive Archive, OASIS und und und: Wir bewegen uns mit diesem Symposium in einem Feld von Forschungsprojekten, oft auch von der EU gefördert, das in diesen zwei Tagen punktuell beleuchtet werden wird und in dem wir (und speziell auch das ZKM) uns verorten wollen. Um aber das Feld der möglichen Themen für unsere Konferenz hier nicht zu weit zu öffnen, seien folgende Stichpunkte genannt, die aus den oben erwähnten Überlegungen zu einer Konzeption geführt haben, die wesentlich dem Gedanken verpflichtet ist, dass wir nicht nur den Spezialisten ein Forum bieten wollen, sondern auch dem allgemein an Kunst und Medien interessierten Publikum.

Vernetzung

Unbestreitbar ist eine Tatsache: mit dem Zerfall elektronischer Information sind Institutionen wie Individuen weltweit konfrontiert. Es macht daher Sinn, sich hier mit Partnern zu vernetzen, da kein Akteur allein noch die Kompetenz haben kann, das immer weiter exponential sich entwickelnde Feld der elektronischen Speichermedien zu überblicken. Networking also auch für 40jahrevideokunst.de mit seinen 5 beteiligten Museen und dem Goethe-Institut als Partner der internationalen Vermittlung. Zu diesem Ansatz eines kooperativen Arbeitens gehört auch die Tatsache, dass wir es für zentral erachtet haben, eine Diskussion mit Experten und Expertinnen öffentlich zu führen, um die Überlegungen und Ergebnisse wiederum in das Projekt einfließen zu lassen.

Kunstgeschichte/Dokumentation

Auch wenn dem Aspekt der Dokumentation hier nicht ein eigener Schwerpunkt gewidmet ist, so durchzieht die Frage nach Umfang, Terminologie, Standardisierung und Datenbanken doch alle Bereiche unseres 2-tägigen Symposiums: Dies beginnt bei der grundlegenden Frage nach dem niemals fixen, immer performanzbasierten Medium Video. Nach der Keynote-Lecture von Boris Groys werden die Beiträge von Hans Dieter Huber, Katharina Ammann, die zum Thema "Video ausstellen" promoviert, Caitlin Jones vom Guggenheim Museum, die zusammen mit der Langlois Foundation in Montreal die Variable Media Initiative und die Ausstellung "Seeing Double" realisiert hat, und von Hans D. Christ unterschiedliche Aspekte dieser Performativität und ihrer technologischen Dispositive beleuchten. Sie sehen, wir umkreisen zunächst die verschiedenen Faktoren, die jeweils die Aktualisierung eines gespeicherten Inhalts beeinflussen. Wie sehr aber auch die individuelle und jeweils konkrete Speicherung eines Inhalts auf Magnetband schon immer den unterschiedlichsten Transformationsprozessen unterliegt, darauf wird detailliert Bart Rutten eingehen, der nach langer Zeit als Kurator am Netherlands Media Art Institute/Montevideo in Amsterdam nun an das Stedelijk Museum in s'Hertogenbosch wechselt. Um den europäischen Horizont vergleichend zu erweitern, sind Jackie Hatfield und Stephen Partridge aus London bzw. Dundee, Schottland, mit ihrem Projekt zur Geschichte der Medienkunst in Großbritannien eingeladen (an dieser Stelle dank an das British Council für die zusätzliche finanzielle Unterstützung).

Von der Konservierung zur Restaurierung

Montevideo hat nicht nur eine lange Tradition der Videodistribution, sondern auch schon sehr früh angefangen, für die niederländischen Museen deren Videosammlungen zu konservieren. Gaby Wijers ist einer der Motoren dieser Konservierungsprojekte und für uns daher eine ideale Moderatorin für die Beiträge des Samstagvormittags. Hier sind Fragen der Terminologie wie der Ethik in Bezug auf Restaurierung elektronischer Kunst weitgehend ungeklärt. Begriffe wie Verfahrensweisen sind also in einem theoretischen wie kunstwissenschaftlichen Kontext zu diskutieren und an ausgewählten Case Studies zu überprüfen. Das Ziel, das wir hier in Zusammenarbeit mit den KollegInnen entwickelt haben, heisst: Welche Probleme müssen Restauratoren wie Kuratoren und Archivare gegenwärtigen, wenn es neben der Problematik der Konservierung und Restaurierung eines physischen Materials auch um das elektronische Bild mit seinen Spuren der Zeit, seinen Fehlern und seiner "Patina" geht? Wir haben daher Ulrich Lang, Konservator am Museum für Moderne Kunst in Frankfurt und gleichzeitig Organisator der AG zu elektronischen Medien im Verband der Restauratoren, gebeten, uns eine Einführung in die Standards und grundsätzlichen Fragestellungen der Restaurators an das Videoband bzw. an künstlerische Werke mit Medien zu präsentieren. Wir hätten hier gerne ein noch breiteres Spektrum präsentiert, aber abgesehen von den üblichen finanziellen und zeitlichen Beschränkungen mussten wir in der Vorbereitung des Symposiums wie auch des Projekts allgemein feststellen, dass vergleichbare Ansätze kaum existieren. In der Spanne von alten elektronischen Formaten (wie sie Christoph Blase vorführen wird) und neuen digitaler Restaurierungsmöglichkeiten (wie sie Walter Plaschzug, der auch im Prestospace-Projekt involviert ist, vorführen wird) bleiben viele Variablen zu diskutieren. Für eine Schadensanalyse benötigen wir zunächst das Wissen um die Ursache: Johannes Gfeller hat uns versprochen, eine Art Topologie der Videofehler zu erstellen. Heather Weaver (Bay Area Video Coalition, San Francisco) und Tina Weidner/Yvonne Mohr führen uns dann in die konkreten Fallstricke und Entscheidungsprozesse der restauratorischen Arbeit am elektronischen Bild ein. Immer wieder sind wir konfrontiert mit Prozessen der Reformatierung durch die Künstler, aber auch durch den Wandel der Technologie und Hardware-Konfiguration: Was ist eigentlich unsere Referenz, wenn alles variabel ist?

Für alle, die es noch nicht online gesehen haben, gebe ich noch eine Programmänderung bekannt: Peter Cornwell (streetvision London) und Chris Walker (SONY Salzburg) können aus unterschiedlichen Gründen leider doch nicht teilnehmen. Stattdessen konnten wir kurzfristig noch einen kompetenten Sprecher eines der großen DVD-Studios in Deutschland, Karsten Rentz von Digital Images aus Halle gewinnen, um über Optionen neuer digitaler Produktionen und den Problemen des Transfers von Film zu Video zu sprechen. Damit wäre dann der Bereich abgeschlossen, in dem es um die Parameter der Produktion geht und wir widmen uns abschließend dem Thema

Distribution Markt

Zu Vermittlungsformen und Onlinearchiven haben wir Sandra Thomas und Alessandra Wessels von 235Media Köln eingeladen, ihr Archivierungsprojekt, das hier in Düsseldorf im Rahmen einer Stiftung am NRW-Forum der Forschung zugänglich gemacht werden wird und ebenfalls von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wurde, insbesondere in Bezug auf ihre Konzeption eines Onlinezugriffs auf die Daten vorzustellen. Welche Fragen eröffnet darüber hinaus der Ausblick auf neue Formen des Sammelns, Archivierens, Präsentierens und Vermarktens – hierzu wollen wir auch das Diskussionsformat ändern und haben Dieter Daniels gebeten, ein Round Table mit den unterschiedlichsten Akteuren im Feld der medienbasierten Künste zu moderieren. Mit ihm diskutieren werden Anita Beckers, Galerie Beckers, Frankfurt, Barbara Engelbach Museum Ludwig Köln, Dieter Kiessling (Künstler mit Heimvorteil), Bart Rutten, ex-Montevideo Amsterdam, Stephan Urbaschek, Sammlung Goetz München.

Soweit die inhaltliche Einführung. Zum Schluss möchte ich aber für all die, die möglicherweise nicht bis zum Samstag Nachmittag dabei sein werden, darauf hinweisen, dass wir die Beiträge des Symposiums auf der Website des Projekts unter www.40jahrevideokunst.de publizieren werden und mit diesem ersten Meilenstein des Projekts ein großes Stück der abschließenden Ausstellung in den 5 beteiligten Museen näher gekommen sind. Ab dem 24. März 2006 wird das beispielhafte Panorama von 40 Jahren künstlerischer Produktion mit Video in Deutschland nicht als bis heute lebendige und wirkende Praxis in der Kunst vorgeführt – parallel in Bremen, Düsseldorf, Karlsruhe, Leipzig und München.

Last but not least: Was nützt die Arbeit am kulturellen Erbe, wenn dieses nicht sichtbar bleibt, in der Diskussion immer neu aktualisiert wird. Im Sinne der Nachhaltigkeit publizieren wir daher die gesamten ausgewählten Künstlertapes für den wissenschaftlichen und edukativen Einsatz in Form einer Studienedition auf DVD, die darüber hinaus vom Goethe-Institut international vermitteln werden wird.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Referenten, bei Doris Krystof, Julian Heynen, Otmar Böhmer und Armin Zweite sowie allen beteiligten Kollegen und Kolleginnen von der Kunstsammlung als Gastgeber, bei Herrn Nitsche für seine engagierte Begleitung des Projekts im Auftrag der Kulturstiftung des Bundes, bei Heike Helfert und ihren Mitarbeiterinnen Lena Gebhardt und Nicole Sudhoff vom ZKM für die Organisation. Aktualisiertes Programm am infodesk, online registrierung

Ich wünsche Ihnen jetzt zwei anregende Tage, die wir am Samstag, wer mag, bei der ParkPartie von K21 beschließen werden.

 
Impressum  | Kontakt